"Hallo, ich bin Pam. Ich bin vierzig Jahre alt, habe ein Tattoo-Studio und mein Sohn hat sich das Leben genommen. Warum ich Dir meine Geschichte erzählen will? Ich war früher ein Mensch, der nicht wusste, dass Depressionen eine Krankheit sind. Wenn jemand zu mir gesagt hätte: »Ich bin depressiv«, hätte ich geantwortet: »Das wird schon wieder.« Ich wusste es einfach nicht besser. Seit Timos Tod kämpfe ich in der Öffentlichkeit für mehr Verständnis. In Deutschland nehmen sich jedes Jahr 500 bis 600 Jugendliche das Leben. Die Zahl der Menschen, deren Leben dadurch tief erschüttert wird, ist ungleich höher. Ich würde mich sofort zusammen mit Polizisten und Rettungssanitätern vor Schulklassen stellen, um meine Geschichte zu erzählen und die jungen Leute damit zu sensibilisieren. Die Krankheit Depression ist immer mehr auf dem Vormarsch. Wenn die Kids in der Schule lernen würden, was Depressionen, Borderline, Schizophrenie oder Manien sind, nämlich nichts anderes als Krankheiten, die man behandeln kann, müsste sich dafür keiner schämen. Dann würden sich vielleicht mehr Jugendliche Hilfe bei Freunden, ihren Eltern, Notfallnummern oder Therapeuten holen. Leider haben viele Institutionen Angst vor dem Werther-Effekt. Damit wird die Annahme bezeichnet, dass es zu einer erhöhten Selbstmordrate kommt, wenn in den Medien über einen Suizid berichtet wird. Es gibt aber auch den Papageno-Effekt, der besagt, dass Berichterstattung von einem Suizid abhalten kann. Ich bin davon überzeugt, dass sowohl die Eltern als auch die Jugendlichen genauer informiert werden müssen, genauso wie Betreuer, Erzieher, Lehrer und Ärzte. Das Thema Suizid zu tabuisieren und totzuschweigen, ist keine Lösung. Wahrscheinlich hätte ich Timos Tod nicht verhindern können. Vielleicht aber doch, wenn ich mehr über Depressionen gewusst und eine vernünftige Aufklärung durch die behandelnde Psychologin und die Ärzte bekommen hätte. Ich werde weiter dafür kämpfen, dass Timos Tod nicht sinnlos war. Meinem Kind kann ich nicht mehr helfen. Aber wenn mein Tun nur einen einzigen anderen Menschen davon abhält, sich das Leben zu nehmen, war es die Mühe wert."
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